Ein amerikanischer Panzer fährt auf die Ladefläche eines Trucks. Im Hintergrund ein Jeep und Lagerhallen

Die Spi­nel­li-Chro­ni­ken

Von Balthasar Zehetmair, am 30. Juli 2021

 

Das Spinelli-Gelände im Nordosten Mannheims blickt auf 70 Jahre Militärvergangenheit zurück. Von 1938 bis 1945 agierte hier die Wehrmacht, bevor die Pionier-Kaserne 1948 durch das amerikanische Militär genutzt wurde. Von 14. April bis 08. Oktober 2023 findet hier die BUGA 23 statt.

Schwere Lastwagen liefern Kampfausrüstung, Panzer walzen über den Asphalt, in Werkhallen wird geschraubt, Man hört das Hämmern von Schreibmaschinen. Viele Jahrzehnte ist dies militärischer Alltag auf dem Spinelli-Gelände in Mannheimwischen Feudenheim und Käfertal. Grau und Khaki, Lachsrot die Gebäude und Schwarzgrün der Militärfahrzeuge – das sind die dominierenden Farben. Während der 1960er und 1970er Jahre, zu Hochzeiten des Kalten Krieges, ist auf Spinelli alles einsatzbereit für den Ernstfall. Natur gab es hier lange nur jenseits der Kasernenzäune.

Das Spinelli-Gelände im Nordosten Mannheims blickt auf 70 Jahre Militärvergangenheit zurück. Von 1938 bis 1945 agierte hier die Wehrmacht, bevor die Pionier-Kaserne 1948 durch das amerikanische Militär unter dem Namen „Spinelli-Barracks“ genutzt und auf etwa 82 Hektar Gesamtfläche ausgebaut wurde. Bis zum Abzug der US-Army im Jahr 2012 lagerten hier Militärfahrzeuge und Kampfausrüstungen. Im Zuge der Konversion entsteht seit 2014 hier eines von zwei Ausstellungsgeländen, auf dem vom 14. April bis 08. Oktober 2023 die BUGA 23 stattfindet.

 

„The Ame­ri­can Way of Life“ erobert die Rhein-Neckar-Region

Nach Ende des Zweiten Weltkrieges rückt die Rhein-Neckar-Region wegen ihrer zentralen Lage und der guten verkehrstechnischen Anbindung schnell in den Fokus der amerikanischen Besatzer. Ab 1945 beginnt in Deutschland eine neue Zeitrechnung, ein neues Kapitel in der Geschichte Mannheims wird aufgeschlagen. In die alten Kasernen noch aus der Kaiserzeit hält nun mit Barber Shops, Movie Theaters und Gyms „The American Way of Life“ Einzug.

Rund 8.300 US-Soldaten sind mit ihren Familien in der Quadratestadt stationiert. Aus der Pionierkaserne der Wehrmacht werden 1948 die Spinelli-Barracks, benannt nach Dominic Spinelli – einem Sanitäter der US Army, der bei der Rettung zweier verwundeter Landsleute mit nur 21 Jahren im Krieg sein Leben lassen musste.

 

Von Maschi­nen und moderns­ter Technik 

Bis in die 1960er Jahre hinein muss auf Spinelli immer mehr Ackerfläche modernen, klimatisierten Lagerhallen weichen. Auf rund 82 Hektar entsteht so mit sieben Fahrzeughallen sowie sechs Lagerhallen das „Mannheim Ordnance Supply Depot“. Große Mengen an Munition und Ersatzteilen kommen direkt aus den USA und werden von hier aus auf Garnisonen in ganz Südwestdeutschland verteilt.

© Christian Führer

Auf Spinelli entsteht ein riesiger Fuhrpark: Panzer, Tanklaster oder Transporttrucks Hier werden alle Fahrzeuge der US Army in Europa erstmals registriert, repariert und gewartet.


Zwi­schen Ber­lin-Kri­se und Abstellplatz 

„Der Kalte Krieg spitzte sich mit der Berlin-Krise 1961 weiter zu und damit wandelte sich auch die Rolle der Spinelli Barracks. Von 1964 an bis zum Ende des Kräftemessens zwischen Ost und West lagerte das Material für eine komplette Kampfbrigade aus rund 4.000 Soldaten in den Hallen auf dem Gelände. Im Verteidigungsfall wären diese Einheit dann schnell einsatzbereit gewesen. Zusätzlich zog 1964 mit dem 28th Transportation Battalion eines der größten Transportbataillone der ganzen US-Streitkräfte in die Feudenheimer Liegenschaft“ erklärt Professor Christian Führer. In seiner Publikation „Memories of Mannheim“ hat er die Geschichte der Amerikaner in der Quadratestadt aufgearbeitet und Einblicke in die weitgehend unbekannte Welt hinter den Kasernenzäunen gegeben.

Mit der Wiedervereinigung nimmt die Bedeutung Spinellis als Depot für Material und Fahrzeuge der US Army ab. Auch die Anzahl der stationierten Soldaten schrumpft auf unter 500. Im Frühjahr 2012 beginnt mit der Freigabe des Geländes durch die Amerikaner ein neues Kapitel Geschichte auf Spinelli.

 

Rie­si­ge Lager­hal­le wird zum Herz der BUGA 23

Mit dem Abzug der Amerikaner aus Mannheim werden auf einen Schlag neun Kasernen mit einer Fläche von insgesamt 510 Hektar frei. Die Frage stellt sich, wie diese Flächen sinnvoll neu genutzt und gestaltet werden können. Schon bald, im Frühjahr 2014, steht für die ehemaligen Spinelli-Barracks fest: Die Bundesgartenschau soll nach 1975 ein zweites Mal nach Mannheim kommen. Wo früher schweres Geschütz und Panzer auf ihren Einsatz warteten und verstaubten, macht die BUGA 23 erstmals die zivile Nutzung des militärischen Relikts möglich und lädt die Mannheimer Bürger*innen zum Entdecken ein.

Ein Gebäudekomplex, der durch seine enormen Ausmaße von zirka 21.000 Quadratmeter Fläche und seine U-förmige Anordnung auf den Luftbildern von Spinelli besonders hervorsticht, ist die U-Halle. Erbaut wurde die Halle in zwei Abschnitten: 1938 von der Wehrmacht und 1985 von den Amerikanern. In ihren Mauern spiegelt sich die ganze Geschichte des ehemaligen Militärgeländes wider. Von der US-Army vornehmlich zur Güterverladung verwendet, wird die U-Halle das Herz der BUGA 23, in der Jung und Alt bestaunen dort gemeinsam die großen Blumenschauen, auf Konzerten wird mitgesungen, Kabarettisten bringen die Besuchenden zum Lachen, Vorträge regen zum Nachdenken an. In der U-Halle wird in drei Restaurants leckeres Essen serviert. Die Presse berichtet aktuell aus einem Fernsehstudio vor Ort. Das ist der neue Alltag auf Spinelli von April bis Oktober 2023.