Der Ers­te sei­ner Art

Von Tanja Binder, am 30. Januar 2021

 

Der Fledermaus-Turm für die Feudenheimer Au ist ein Original

 

„Hier ist wirklich alles schräg. Dieser Turm ist höchst kompliziert im Aufbau“, erklärt Ulrich Bechtold. „Es gibt nur einen rechten Winkel und der ist unten an der Standfläche.“ Bechtold leitet zusammen mit seinem Bruder Michael die Mannheimer Familienschreinerei, die von der BUGA 23 mit dem Bau eines Fledermaus-Turms beauftragt wurde. Allein von den Ausmaßen ist der Turm beeindruckend: 7,21 Meter ist er an der längsten Stelle.

 

„Bat Habi­tec­tu­re“ – was ist das?

„Bat Habitecture“ lautet der Fachausdruck für den Turm, der gleichzeitig ein Habitat für Fledermäuse als auch ein architektonisches Meisterwerk ist. Entworfen wurde er von Studenten der Technischen Universität Braunschweig am Institut für Landschaftsarchitektur, betreut von Henri Greil. Ihr Entwurf erinnert an einen ausgehöhlten Baumstamm. Darin nach oben hin fächerartig zusammenlaufende Lamellen, um den für Spaltenbewohner wichtigen Bauch-Rückenkontakt zu ermöglichen. Alle Ansprüche, die Fledermäuse an ihre Behausung stellen – wie Absprunghöhe, Landebretter, Wassernähe, Schutz vor Fressfeinden sowie eine gute Belüftung – sind berücksichtigt worden und tragen maßgeblich zu dem Design des Turmes bei. Der Turm für die BUGA 23 ist der erste seiner Art, der realisiert wird.

 

Gro­ßer Abend­seg­ler und Grau­es Lang­ohr willkommen

Die in Südwestdeutschland heimischen Arten, wie Zwergfledermaus und Großer Abendsegler, Graues Langohr und Rauhhautfledermaus, bevorzugen Spaltenquartiere. Weil jedoch Dachböden häufig ausgebaut werden und Häuser gedämmt, finden Fledermäuse immer weniger Spalten und Ritzen in Gebäuden, die ihnen als Unterschlupf dienen können. Hier kommt der Turm zum Einsatz, der in seiner Form an einen absterbenden Baumstumpf erinnert. Er soll in der Feudenheimer Au aufgestellt werden und eine Anlaufstelle für die Tiere bieten. Denn in seinem Inneren sind rund 30 ganz unterschiedlich geformte Bretter derart aufgefächert eingebaut, dass zwei getrennte Spaltenquartiere entstehen, die verschiedenen Fledermausarten Heimstatt sein können.

 

Archi­tek­to­ni­sches Meisterwerk

Zwei Wochen hat Bechtold mit seinem Team vorab in seiner Schreinerei alle Vorbereitungen getroffen. In der U-Halle wurden die zuvor zugeschnittenen Bretter und Latten an zwei Tagen zusammengebaut. Mehrere hundert Schrauben hat Bechtold mit seinen Mitarbeiter Marko Fricke und Oliver Umlauff dazu eingedreht. Abgesehen von den Schrauben und dem Fundament besteht der gesamte Turm komplett aus Holz. Damit die Fledermäuse sich gut festkrallen können, kamen im Innern Holzplatten mit einer rauen, groben Oberfläche zum Einsatz. Die äußere Form besteht aus Lärchenholz, das auch unbehandelt ausreichend robust ist, um den Umwelteinflüssen stand zuhalten.

 

Unterstützt wurde Bechtold beim Aufbau des Turms von fünf Mitarbeitern der Mannheimer Filiale der CSD Ingenieure. „Anlässlich unseres 50-jährigen Firmenjubiläums durfte jeder Standort ein Projekt unterstützen, das Biodiversität fördert“, erzählt Uta Ehrhardt von CSD Ingenieure. Sie ist mit Felix Barzen, Selina Dorlas, Carmen Hotopp und Moritz Diesner vor Ort. Zwei Tage lang waren sie mit den Schreinern in der U-Halle und haben die Holzbretter zusammengesetzt und geschraubt. „Wir sind heute hier als Helfer und freuen uns einfach, mal vom Schreibtisch wegzukommen“, sagt sie lächelnd.

 

Artgerechter Unterschlupf

Aufgestellt werden zwei dieser Türme in der Feudenheimer Au als Ausgleichsmaßnahme für die Planungen zur Radschnellverbindung und zum Augewässer. Dort haben im Vorfeld mehrfach Fledermauskartierungen stattgefunden. Mit Hilfe der Fledermaustürme werden den nachgewiesenen Arten zusätzliche Habitate zur Verfügung gestellt. Aufgestellt werden beide Türme im Laufe der ausführenden Arbeiten im Laufe des Jahres 2021.

 

In der Feudenheimer Au entsteht durch das geplante Augewässer ein neuer Nahrungsraum für Fledermäuse. „Und wir bieten mit dem Turm den Tieren an gleicher Stelle ein Top-Quartier“, erklärt Franziska Leyer, zuständige Projektleiterin der BUGA 23 in der Abteilung Freiraum | Ausstellungskonzeption. „Bedingt durch die dämmerungs- und nachtaktive Lebensweise der Tiere sind die Artenvielfalt und der Rückgang der Fledermäuse vielen unbekannt. Dem wollen wir mit diesem Turm entgegenwirken, der diesen Sachverhalt in Form eines architektonischen Meisterwerks und als markante Landmarke an exponierter Lage den Menschen ins Gedächtnis rufen soll.“

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Konzeption und Entwurf: Jannis Petereit und Tobias Storz, Institut für Landschaftsarchitektur, Technische Universität Braunschweig
Detaillierung und Ausführungsplanung: Ann-Kathrin Lepke und Antonia Zöllner, Institut für Baukonstruktion und Holzbau, Technische Universität Braunschweig