Zurück zur Natur

Von Balthasar Zehetmair, am 30. März 2021

 

 

Der Neckar, Garant für Lebensqualität und seit 1876 Trainingsrevier des MRV Amicitia. © Balthasar Zehetmair

„Am Necker, am Necker/ Do ischt a Jedes gern/ Wer d´Hoimet hot am Necker/ Der sehnt se net in d´Fern.“ Die verträumte Naturidylle des Neckars und seiner Auen sind ein Garant für Lebensqualität, das erkannte schon Friedrich Richter. Langsam fließt der Fluss dahin, das Wasser kräuselt sich, Ruderboote gleiten graziös über die spiegelnde Wasseroberfläche.

Die Natur zurück in die Stadt zu holen und ihr Raum zu geben, um sich wieder zu entwickeln, das sind Ziele, die die Bundesgartenschau-Gesellschaft Mannheim 2023 gGmbH verfolgt. Niederschlag findet dieses Engagement in der Neckar-Renaturierungsmaßnahme, die vom Land Baden-Württemberg gefördert und in mehreren Phasen umgesetzt wird. Zwischen Fernmeldeturm und Schleuse Feudenheim soll der längste Nebenfluss des Rheins seine alte, natürliche Schönheit zurückgewinnen.

Mit der Renaturierung des Neckars und dem Anlegen des naturnahen Augewässer schafft die BUGA 23 einzigartige Natur-Landschaften für das Erleben von Wasser, die zur Eröffnung der Bundesgartenschau im April 2023 bestaunt werden können.

 

Des Neckars wil­de Idylle

Gerade mal einen Steinwurf von der Mannheimer Innenstadt entfernt, entfaltet sich den Mannheimer Bürger*innen in diesem Abschnitt des Neckars ab Frühjahr 2023 eine natürliche Oase der Ruhe. Der schnurgerade Verlauf wird aufgebrochen und wieder in Richtung Urzustand entwickelt und der Fluss erhält einen mäandernden Fließcharakter. Durch den „naturnahen Rückbau“, wie es fachspezifisch heißt, werden die Ufer links und rechts des Flusslaufs abgeflacht. Der Fluss wird so wieder sichtbarer gestaltet und neue Lebensräume können entstehen.  

 

Umwelt ist eines von vier Leitthemen der BUGA 23 und so finden bedrohte Arten wie der Eisvogel, der Biber oder der Frosch hier eine neue Heimat. Auch durch die neu entstehenden Laichplätze an den Ufern wird sich im Wasser eine reiche Fischpopulation entwickeln. Wasserpflanzen und eine Ufersicherung auf Pflanzenbasis sollen die Strömungsgeschwindigkeit entschleunigen. In den Baumkronen nisten und brüten die Störche, der Flussregenpfeifer sowie verschiedene Meisen-Arten, für den Reiher sind die Neckarauen ebenso reizvoll als Aufenthaltsort wie für Mauereidechsen sowie Fledermäuse.

 

Eine vielfältige und reichhaltige Natur kehrt mit dem größten Renaturierungsprojekt derzeit in Baden-Württemberg, zurück an den Neckar. Dem ursprünglichen, natürlichen Aussehen des Neckars vor seiner Kanalisierung in den 1920er Jahren wird seine Renaturierung nachempfunden.

 

Der Neckar – seit jeher eine wich­ti­ge Handelsstraße 

Zwischen 1792 und 1805 wurden bereits erste Kanalisierungsmaßnahmen zwischen Mannheim und Ilvesheim durchgeführt. Die alten, weit ausschweifenden Mäander in diesem Abschnitt des Neckars blieben noch unangetastet. © MARCHIVUM, KF042018

Schon die Römer nutzten den Neckar als Transportweg für Baumaterial und Proviant. Im 16. Jahrhundert wurde Holz aus dem Schwarzwald über Neckar und Rhein nach Holland verschifft. Nach ersten Kanalisierungsmaßnahmen Ende des 18. Jahrhunderts sollte der Fluss zwischen Feudenheim und Ilvesheim in den 1920er Jahren endgültig für die effizientere Schifffahrt in ein Kanalbett gezwängt werden, wie der Historiker Hans Peter Rings in seinem Aufsatz „Als die Gross-Schifffahrt das Neckartal eroberte – die Neckarkanalisierung von 1919 bis 1935“ feststellte. Der Neckar war nun eine wichtige internationale Handelsstraße.

 

Insgesamt sieben Jahre nahm der Bau des Kanals und der Schleuse Feudenheim in Anspruch. Am 24.Juli 1927 konnte dann die 28 Kilometer lange Teilstrecke Heidelberg-Mannheim erstmals feierlich befahren werden. Ganz unumstritten war dieser Eingriff in den Neckar und seine Auen jedoch nicht. So trauerte auch der Autor der Neuen Mannheimer Zeitung bei der Eröffnung nach: „Die Romantik also ist für immer dahin, machen wir einen Strich darunter.“

 
Neu­er Kanal, Neue Probleme 

Von diesen Entwicklungen am Neckar betroffen war und ist auch der Mannheimer Ruderverein Amicitia, welcher seit über 100 Jahren m Hans-Reschke Ufer zuhause ist.  Zwar wurde durch den neuen Kanal die Hochwassergefahr gemildert, allerdings tauchte ein neues Problem auf: „Durch die begradigten Ufer werden die Sedimente vom Wasser mitgetragen und am Ende der Maulbeerinsel in die Amicitia-Bucht gespült, von welcher die Ruderer*innen zum Training aufbrechen. Regelmäßig müssen deshalb die Ablagerungen aus der Bucht abgetragen werden. Anfangs wurde diese Aufgabe noch mit viel Tatkraft angegangen, allerdings entwickelte sich dies schnell zur dauerhaften Last.“

 

Sonderlich beliebt war das neu entstandene Trainingsrevier - in der Vereinszeitung „Schwoweneckarschtauwehrschleuseverbindungskanalend“ genannt –  unter den Mitgliedern nicht: „Deß iß der neie Schleifstään [Kanal] […] Unser Ruderer hamme ihn uff de Kreide; die könne ihn all nit leide.“

 

Mit der BUGA 23 kommt neue Energie an den Neckar zurück. Die Maßnahme zur Renaturierung wird in zwei Phasen vollzogen: Bis zur Eröffnung der Bundesgartenschau Mannheim im April 2023 wird die Projektphase West vom Fernmeldeturm bis zu Riedbahnbrücke sowie das Augewässer in der Feudenheimer Au umgesetzt. Nach der Bundesgartenschau erfolgen die Projektphase Ost der Renaturierung des Neckars und die Anbindung der Augewässer an den Neckar.

 

Der Olympia-Achter mit Trainer Fritz Gwinner am Steuer. Im Hintergrund die Universitätsklinik. © Bechtel, Archiv des MRVA

Attrak­ti­ve Impressionen

Mit der Renaturierung des Neckars im Zuge der BUGA 23 bestehen beste Aussichten zum einen für die Amicitianer, dass dieses lästige Problem dauerhaft gelöst wird und zum anderen auch für die Mannheimer Bürger*innen auf völlig neue Impressionen von ihrer Stadt.  Die Natur und eine beeindruckende Artenvielfalt kehren in die Stadt zurück und für Tier sowie Mensch entsteht hier eine prachtvolle Lebensqualität.