Ein futuristisches Fahrzeug mit verglastem Anhänger

Zurück in die Zukunft: U‑Shift auf Spinelli

Von Balthasar Zehetmair, am 09.12.2021

 

Die BUGA 23 ist Experimentierfeld und Bühne für zukunftsweisende Projekte: Bestes Beispiel ist die Integration des autonomen Fahrzeugkonzeptes U-Shift inklusive Teststrecke in die Ausstellungsplanung. In Kooperation mit dem Institut für Fahrzeugkonzepte des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) und dem Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Baden-Württemberg, welches das Projekt U-Shift fördert und den Kontakt zwischen BUGA 23 und DLR hergestellt hat, wird das Thema autonomes Fahren und die Technik einem breiten Publikum nähergebracht. Darüber hinaus erhalten die Forscher*innen durch den Betrieb von Prototypen auf dem stark frequentierten BUGA-Gelände wichtige Daten, die zur Weiterentwicklung der Technik beitragen – Erlebnis- und Lernfaktor für die BUGA 23-Besucher*innen inklusive.

Prof. Dr. Tjark Siefkes erläutert im Gespräch das autonome Fahrkonzept U-Shift und den Einsatz auf der BUGA 23

 

Was ist U-Shift und wie funktioniert es?

Das U-Shift ist ein autonomes, elektrisches Fahrzeugkonzept. Damit können Personen und Güter flexibel auf innerstädtischen Strecken transportiert werden. Das U-Shift setzt sich aus zwei Bestandteilen zusammen: aus einem Fahrzeug, dem sogenannten Driveboard, und den Transportkapseln, die gemeinsam ein modulares Transportsystem darstellen. Das Driveboard ermöglicht das autonome Fahren. In ihm sind Antriebssysteme, Batterie und Technik verbaut. Für den Transport gibt es zwei grundsätzlich verschiedene Kapseln: eine ist für den Personentransport ausgelegt, die andere für Güter.

Konkret wird eine der Kapseln vom Driveboard aufgenommen und autonom zum Ziel transportiert, das vorher von der Leitzentrale vorgegeben wurde. Dort setzt das Driveboard die Kapsel ab. Die Kapselaufnahme ist eine einfache Technologie – ähnlich wie ein Gabelstapler im Getränkemarkt.

 

Welche Reichweite hat das U-Shift und wie lange kann es eingesetzt werden?

Das U-Shift wird elektrisch auf den Straßen unterwegs sein und mit einer 90KW Batterie hat es ungefähr eine Reichweite von 400 Kilometern. Rollstuhlfahrende und Kinderwägen können barrierefrei über eine eingebaute Rampe in das Fahrzeug rollen. Der Akku kann selbstständig beim Aufnehmen bzw. Absetzen der Kapseln aufgeladen und zusätzlich durch Akkus in den Kapseln gespeist werden. Auf diese Weise ist das Fahrsystem 24 Stunden an 7 Tage die Woche einsetzbar.

 

Rendering U-Shift, © DLR

Was muss beim autonomen Fahren beachtet werden?

In der Forschung haben wir uns die Frage gestellt, was es eigentlich braucht, um sicher autonom von A nach B fahren zu können. Bei der Planung der Strecken im Stadtverkehr stehen vor allem neuralgische Punkte – wie Verkehrskreuzungen – im besonderen Fokus. Hier kommen durch Fahrradfahrer, Fußgänger, Kinder und Autofahrer verschiedene Verkehrsteilnehmer auf engem Raum zusammen, wodurch schnell eine Gefahrensituation entstehen kann. Fahrzeugsensoren geben eine Grundsicherheit, aber an neuralgischen Punkten muss auch die Infrastruktur mit Sensoren ausgestattet werden, damit der Verkehr die erforderliche Sicherhiet erlangt.

Auf unserem Testfeld in Weil im Schönbruch sind wir gerade dabei das System auf den realen Einsatz vorzubereiten und befinden uns bereits in ersten Vorgesprächen mit dem TÜV. Ein wesentlicher Bestandteil dieser Vorbereitung ist es viele Szenarien durchzuspielen und das U-Shift so zu optimieren, damit es dann im späteren Einsatz zu wenig Defekten oder Ausfällen kommt.

Das Driveboard nimmt während des Fahrens dauerhaft Bewegungsinformationen von der Umgebung auf, welche komplett anonymisiert sind. Es gilt zu betonen, dass der Datenschutz bei uns absolut sichergestellt wird.

 

Was war besonders wichtig bei der Entwicklung des U-Shift?

Bei der Entwicklung dieses Fahrkonzepts stand die Frage im Vordergrund, wie die Innenstädte mittel- bis langfristig vom Individualverkehr entlastet werden können. Um diesem Ziel näher zu kommen braucht es dazu sowohl für die Personen-, als auch für den Gütertransport eine adäquate Alternative.

Zudem haben wir großen Wert daraufgelegt, dass dieses System sowohl energieeffizient elektrisch fährt als auch möglichst kosteneffizient für die Städte gestaltet ist. Dazu ist das Driveboard und die Kapseln mit ihren Bestandteilen so konzipiert, dass ersteres durch die großen Hersteller bzw. letzteres durch den Mittelstand kostengünstig in Masse herstellt werden kann.

 

U-Shift innen, © DLR

Wie kann das U-Shift zukünftig zum Einsatz kommen und in welchen Bereichen kann es genutzt werden?

Ein wichtiger Aspekt bei der Entwicklung war es, dass das Fahrkonzept rund um die Uhr einsetzbar ist, damit z.B. nachts der Güterverkehr ausgeführt werden kann und bei Tag der Transport von Personen. Mit dem U-Shift kommt eine elektrische, leise und klimafreundliche Flexibilität in die innerstädtische Mobilität. Das U-Shift kann natürlich auch als Bus on Demand eingesetzt werden. Im Gütertransport kann das U-Shift beispielsweise als Postauto oder auch zum Transport von Müll- oder Altglascontainern verwendet werden.

 

Welche Teststrecken könnten auf dem Spinelli-Gelände während der Bundesgartenschau in Mannheim 2023 umgesetzt werden?

Eine Machbarkeitsstudie ergab, dass zwei Teststrecken auf dem Spinelli-Gelände umgesetzt werden könnten: zum einen eine rund zwei Kilometer lange Route, die entlang der Parkschale Käfertal führt. Dort wären die Fahrmodule in einem abgegrenzten Bereich mit einer realen Geschwindigkeit von bis zu 15 km/h unterwegs. Zum anderen wäre nördlich des Experimentierfeldes ein Rundkurs im Freilandbereich für das U-Shift realisierbar.

 

Wie können die Besucher*innen der BUGA 23 das U-Shift erleben?

Die Besucher*innen können das autonome Fahrerlebnis selbst erleben und den Austausch der Kapseln live verfolgen. Außerdem wollen wir auf der BUGA 23 demonstrieren, dass das U-Shift rund um die Uhr einsetzbar ist. So wäre es vorstellbar, dass am Abend kleinere logistische Aufträge erfüllt werden, wie zum Beispiel die Belieferung der Restaurants. Für den Rundkurs im Freilandbereich steht die Idee im Raum, dass die Leute bei der Fahrt über das Gelände direkt Informationen erhalten wie bei einer Führung. Die großen Windschutzscheiben könnten als Projektionsflächen dienen, auf denen nebenher erklärendes Bildmaterial präsentiert wird.